Gastbeitrag: Umgang mit Veränderungen. Ist das Gesundheitswesen darauf gut vorbereitet?

Dr. Martina Oldhafer MBA
Leitung Change Management
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Veränderungen anzustoßen oder zu gestalten gehören für die meisten Menschen nicht zu den beliebtesten Dingen. Wir lieben Routinen und wiederkehrende Abläufe, weil diese uns Sicherheit geben und unsere Energie für andere Dinge zur Verfügung stellt. Dies ist natürlich auch im Gesundheitswesen so. Es gibt unendlich viele Studien, die das belegen und an einigen Beispielen wird jedem schnell klar, wie schwer es ist, Veränderungen zu initiieren. Wir fahren morgens in der Regel immer den gleichen Weg zur Arbeit, nach jedem Umzug stehen die Möbel beinahe so wie in der alten Wohnung und auch unsere Schlafgewohnheiten ändern wir nicht. Versuchen Sie einmal, die Seite im Bett mit Ihrem Partner zu tauschen. Auch im Hotel ohne Partner schlafen die meisten Menschen auf der gewohnten Seite.

Als Führungskraft (Klinikleiter, Leitender Oberarzt oder Führungskraft in der Pflege) müssen Mitarbeiter durch einen Veränderungsprozess positiv begleitet und motiviert werden. Das funktioniert nur, wenn diese Herausforderung planvoll und authentisch erfolgt. Es ist kein Trick, sondern es ist eine Haltung, die die Mitarbeiter mitkommen lässt. Einige werden Sie begeistern und von anderen werden Sie sich trennen müssen, auch das gehört zum Veränderungsprozess dazu.

Es gibt unzählige Literatur zum Thema Change Management und Führung. Führungswerkzeuge, die Ihnen bei der Umsetzung helfen, Fabeln und Geschichten, Studien und Experimente, psychologische Tests bezüglich der persönlichen Veränderungsaffinität, Phasentheorien und Verarbeitungsmuster. Alles lesenswert, doch am Ende sind es die persönlichen Eigenschaften und die Emotionen der Führungskraft und des Mitarbeiters, ob er im Veränderungsprozess mitkommt oder mitgenommen wird bzw. werden kann. Entscheidungen werden in einem hohen Maß unbewusst und emotional getroffen und häufig hilft der Bauch dem Kopf bei der Entscheidungsfindung.

Das Universitätsklinikum mit seinen ca. 13.000 Mitarbeitern an zwei Standorten, die über 70 km voneinander entfernt liegen, ist ein wahres Eldorado für einen unfassbar großen Veränderungsprozess, der durch die Neubauten von jeweils einem Zentralklinikum am Standort Kiel und Lübeck initiiert wurde. Verbunden mit den neuen Strukturen und baulichen Gegebenheiten, ziehen beinahe für jeden Mitarbeiter Veränderungen im täglichen Arbeitsumfeld nach sich. Da müssen Mitarbeiter berücksichtigt werden, die über 30 Jahre im Klinikum tätig sind. Genauso müssen Mitarbeiter erreicht werden, die gerade nach ihrer Ausbildung ins Berufsleben starten. Nicht jeder kann mit dem gleichen Vorgehen motiviert werden. Dennoch ist es hilfreich, auf dem Weg der Veränderungen einiges zu beachten, was hilfreich ist, die Motivation zu halten oder gar zu steigern und was hilft, Demotivation zu verhindern.

Mitarbeitermotivation und Veränderungsphilosophie

Zur Begeisterungsfähigkeit von Menschen bedarf es einem Dreiklang aus Open mind - open heart - und open will. Otto Schamer hat mit seiner Theorie U einen Prozess beschrieben, der davon ausgeht, das Veränderung keiner Linearität unterliegen, sondern es immer wieder Phasen gibt, in den auf kognitiver Ebene der Mitarbeiter erreicht werden muss, bevor er das Thema zur Herzensangelegenheit werden lassen kann, um es dann in Handlungen umzusetzen. In jeder Phase gibt es unterschiedliche Handlungsoptionen, die helfen, die nächste Phase einzuleiten. Man kann davon ausgehen, dass jedes Veränderungsansinnen immer diese drei Aspekte benötigt und sie durch ihre unterschiedliche Ausprägung eine Veränderungsumsetzung beschleunigt, prolongiert oder gar zurück wirft, wenn nämlich aus open heart nicht open will wird, weil bestimmte Rahmenbedingungen und/oder Emotionen einer Umsetzung entgegensprechen.

Jede Führungskraft benötigt dazu einige Eigenschaften, die sie sowohl selber haben sollte und bei ihren Mitarbeitern unterstützen soll, um Neuerungen und Veränderungsprozesse zu initiieren. Gemeint sind Neugierde, Empathie, Mut, Entwicklungsfähigkeit, Kooperativität und ein gewisses Maß an Entspanntheit im Sinne des Vertrauens. Neugierig sein, um Neues zu entdecken. Neugierde ist für die gesamte Entwicklung des Menschen von Bedeutung. In Bezug auf Veränderungen ist entscheidend, das Blickfeld zu erweitern und offen für Verborgenes zu sein.

Mitgefühl/Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. Dies spielt eine entscheidende Rolle beim Umgang mit Widerständen. Mut bedeutet, dass man sich traut und fähig ist, etwas zu wagen und einen neuen Weg einzuschlagen. Hierzu ist Selbstvertrauen und Reflektiertheit notwendig. Mut braucht es, um Neuerungen zu propagieren, zu begleiten und langfristig mit Leben zu erfüllen.

Entwicklungsfähigkeit der eigenen Persönlichkeit und des Umfeldes. Nur wer sich hinterfragen kann und dieses auch tut, empfindet Weiterentwicklung als etwas Positives und Wertvolles. Entspanntheit - bleiben Sie bei allen Veränderungen gelassen und entspannt. Ein übermäßiges Maß an Aktivität führt zum Abbau von Entspanntheit und Gelassenheit, die Sie brauchen, um andere überzeugen und mitnehmen zu können. Gemeinsamkeit und Kooperativität (Zusammenarbeit) ist das entscheidende Kriterium bei allen Veränderungsprozessen. Eine egozentrische Disposition ist nicht nur hinderlich, sondern verhindert in der Regel die meisten Veränderungsbemühungen von Unternehmen. Bezüglich Motivation und Motivatoren gab es die Zeit von Reinhard K. Sprenger, der 2002 mit seiner Motivationsbibel "Mythos Motivation" eine besondere Bewegung eingeleitet hat. Nun hängen Gesundheitsunternehmen bezüglich der Etablierung von Managementtechniken immer etwas nach und da Patienten etwas Besonderes sind, wird bei allen Veränderungen unter Einsatz von Managementtechniken umgehend postuliert, dass das in der Medizin nicht funktioniere und medizinische Prozesse etwas ganz besonderes seien.

Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Ja, medizinische Prozesse und Patienten sind etwas Besonderes, da sie bewusst und unbewusst in die Behandlungsqualität und das Ergebnis eingreifen bzw. ihn beeinflussen. Nein, weil sich alle Professionellen im Gesundheitswesen an Vorgaben halten müssen, die unabhängig vom Patienten erfolgen. Zu häufig wird der Patienten als Alibi benutzt, um behandlerorientierte Veränderungen nicht durchzusetzen. Hierzu muss man wissen, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit der Dissonanz kämpfen; persönliche Sicherheit versus persönlichem Handlungsspielraum.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Gesundheitsunternehmen intensiv alle anstehenden Herausforderungen und Veränderungen nur bewältigen werden, wenn sie

  • Motivation von Mitarbeitern in Veränderungsprozessen berücksichtigen
  • eine Führungskultur etablieren, die es schafft, ihre Mitarbeiter auf der Sachebene über die Notwendigkeit zu überzeugen und auf der emotionalen Ebene sie gewinnt, sich dafür einzusetzen.

Die meisten Veränderungsanliegen bzw. Veränderungsprojekte scheitern nicht an der fehlenden Motivation der Mitarbeiter, sondern an den Führungskräften, die dem menschlichen Faktor zu wenig Bedeutung beimessen und ihre Präsenz bei den Mitarbeitern als nicht notwendig einschätzen. Nur durch die Nähe zu den Mitarbeitern, den wertschätzenden Austausch und die Integration der Beschäftigten in den Prozess, lässt sich die Motivation der Mitarbeiter im Veränderungsprozess aufrechterhalten und als Potential nutzen. 

Hierarchie und Macht ist auch im Gesundheitswesen nicht mehr "State of the Art".

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